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Mehr als ein Viertel der Lehrlinge will nicht im erlernten Beruf bleiben. Grund sind vor allem schlechte Ausbildungsbedingungen wie ausbildungsfremde Tätigkeiten, Überstunden oder fehlende Ausbildungsfortschritte. Sorgenkinder: Hotel- und Gastgewerbe, Tourismus, Maler-Branche oder Pflege und Gesundheit. mrcats - stock.adobe.com

Umfrage

Fünfter Lehrlingsmonitor: Schluss mit der Fachkräftevertreibung

Ausbildungsqualität muss sich endlich verbessern: Nach wie vor nur zwei von drei Lehrlingen mit Ausbildung zufrieden - ein Viertel will nicht im erlernten Beruf bleiben

Als Lehrling den Traumberuf erlernen und dann als Fachkraft gutes Geld verdienen. Dieser Traum zerplatzt für viele Lehrlinge leider schon in der Ausbildung. Denn miese Ausbildungsbedingungen vertreiben viele potenzielle Fachkräfte. Gut ein Viertel (26 Prozent) gibt in einer aktuellen Befragung an, nicht im erlernten Beruf bleiben zu wollen. Und nur zwei von drei Lehrlingen sind mit ihrer Ausbildung zufrieden – ein Wert, der sich seit Jahren nicht verbessert. 

Dieses und viele weitere Ergebnisse des fünften österreichischen Lehrlingsmonitors von Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund und Gewerkschaftsjugend sind ein „dringender Weckruf für die Verbesserung der Ausbildungsqualität in der Lehre“, mahnt Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). 

Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ)
Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) Cardes Production

Denn „Lehrlinge sind das Rückgrat unserer Zukunft. Sie mit der nötigen Achtung und guten Ausbildung zu versorgen, ist Investition in ihre persönliche Zukunft und jene der Wirtschaft und Gesellschaft. Vernachlässigen wir das alles, riskieren wir, eine ganze Generation an Fachkräften zu verlieren. Und das können wir uns nicht erlauben!“

Qualität in der Lehrausbildung bleibt große Baustelle

Wieder zeigt sich: Es gibt keine einheitlich gute Qualität in der Ausbildung für alle Lehrlinge. Das ist 2023 keine neue Erkenntnis – das war bereits beim Lehrlingsmonitor 2021 der Fall.  

Grafik Ergebnisse über die Probleme in der Lehrausbildung
Von allen Befragten sagen nach wie vor drei Viertel, für sie hat es keine regelmäßige Dokumentation der Ausbildung gegeben. Für zwei von fünf gab es keine regelmäßige Besprechung des Ausbildungsfortschritts (2021: ein Drittel). Und ebenfalls ein Drittel muss ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten. Das reicht vom Rasen mähen über das Putzen des Autos vom Chef bis zum Pausenraum zusammenräumen.

Schlechte Ausbildungen vertreiben junge Menschen

Insgesamt haben mehr als ein Drittel (36 Prozent) schlechte oder sehr schlechte Ausbildungsbedingungen. Am schlechtesten bewertet wurden die Ausbildungsbedingungen für Hotel- und Gastgewerbeassistent:innen, Maler:innen und Beschichtungstechniker:innen sowie für Konditor:innen (Zuckerbäckerei). Und je schlechter die Ausbildungsbedingungen, desto weniger wollen im gelernten Beruf bleiben. Dort, wo die Ausbildungsbedingungen am schlechtesten sind, wollen zwei Drittel (64 Prozent) nicht im Beruf bleiben. Dort wo die Ausbildungsbedingungen am besten sind, will nur eine:r von zehn (12 Prozent) nach der Lehre etwas Neues anfangen.  

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Überstunden keine Seltenheit

„Überstunden sollten in der Lehrausbildung eigentlich die absolute Ausnahme sein – denn es soll ja ausgebildet werden und für Unter-18-Jährige sind Überstunden sogar verboten“, erklärt Tiefenbacher. Dennoch müssen laut Studie 27 Prozent der Lehrlinge Überstunden machen. Das sind nur unwesentlich weniger als im Jahr 2021 (29 Prozent). 

Und nur drei von vier Lehrlingen, die Überstunden machen müssen, bekommen die Überstunden auch voll abgegolten. Besonders viele unbezahlte Überstunden müssen die Lehrlinge in den Berufsgruppen Tourismus/Gastgewerbe/Hotellerie, Transport/Verkehr/Lager, Recht/Sicherheit/Verwaltung und Gesundheit/Medizin/Pflege leisten.

„Diese Praxis ist nicht nur rechtlich bedenklich, sondern beeinträchtigt auch die Gesundheit und das Lernen der Lehrlinge“, warnt der ÖGJ-Vorsitzende: „Die jungen Menschen sind da, um zu Lernen und nicht, um als billige Hilfskraft für einen Betrieb ausgenutzt zu werden!“ 

Sexuell belästigt, gedemütigt und gemobbt

Mobbing ist nicht nur im Alltag oder im privaten Umfeld von vielen Jugendlichen ein zunehmendes Problem, sondern auch in der Ausbildung. 34 Prozent gab an, zumindest einmal beleidigt, belästigt, bedroht oder gemobbt worden zu sein. Besonders betroffen sind junge Frauen mit insgesamt 40 Prozent (Burschen: 29 Prozent); berichtet wird dabei auch über sexuelle Belästigung und Androhung von Gewalt. 

Von diesem Ergebnis ist der Jugendvorsitzende besonders schockiert: „Das ist ein Weckruf, dass wir in unseren Lehrbetrieben nicht nur technische Fähigkeiten vermitteln, sondern auch eine Kultur des Respekts und Unterstützung aufbauen müssen.“  

Als Hilfe für Betroffene fordert Tiefenbacher den Ausbau der psychosozialen Unterstützung an Berufsschulen sowie ausreichende Kapazitäten für Psychotherapie speziell für Jugendliche und Lehrlinge.

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So verbessern wir die Lehrausbildung

Der fünfte Lehrlingsmonitor zeigt eindeutig: Der Mangel an Fachkräften in einzelnen Branchen ist selbstverschuldet: Schlechte Ausbildungsbedingungen und fehlender Respekt vertreiben werdende Fachkräfte aus ihren Berufen. Nur eine Ausbildung, die junge Menschen unterstützt, fördert und faire Arbeitsbedingungen bietet, kann das Problem lösen.  

Fünf Punkte sind dabei am wichtigsten:

  • die Ausweitung der Berufsorientierung,
  • die Ausbildungsqualität als Kriterium für die Lehrstellenförderung,
  • die Einführung von Kompetenzzentren als dritter Lernort,
  • Verbesserungen bei der Lehrabschlussprüfung,
  • mindestens 1.000 Euro Lehrlingseinkommen im ersten Lehrjahr und
  • eine Ausbildungsoffensive für mehr Lehrstellen in Green Jobs. 

„Die Lehre ist ein wichtiger Teil der Lösung gegen den Fachkräftemangel, aber nur dann, wenn auch die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen passen“, betont Tiefenbacher. 

„Es gibt natürlich viele Betriebe, sie sich in der Ausbildung sehr engagieren. Das sollten alle so machen. Dann würde die Lehre endlich wieder aufgewertet und ihr teils negatives Image loswerden”, so der ÖGJ-Vorsitzende.   

 

Daten zur Umfrage: Die Auswertung berücksichtigt die Angaben von 4.707 Lehrlingen im letzten Lehrjahr, die in Lehrbetrieben in allen österreichischen Bundesländern ausgebildet wurden. Die Befragung erfolgte zwischen November 2022 und Mai 2023; Durchführung: öibf – Österreichisches Institut für Berufsbildungsforschung.